Eissegel WM und EM 2006 finden auf der Müritz statt

Am 1.3. vorerst als Gerücht gewertet, stellte es sich wenig später als Tatsache heraus: Die diesjährigen Welt- und Europameisterschaften im Eissegeln finden auf der Müritz statt!

Eigentlich für Finnland geplant, sah man sich angesichts der tiefverschneiten Seen außerstande, die Meisterschaften auszutragen. Eis-Scouts hielten daraufhin nach Alternativen Ausschau. Polen und Schweden wurden in Erwägung gezogen, aber letztendlich entschied man sich für die Müritz. So ist es auf der Website der Organisation zu lesen. (Die deutschen Eissegler haben ihre Internetheimat hier.)
Am Samstag schon waren die ca. 200 Eisflitzer aus 18 Nationen auf der oberen Müritz vor Klink zu beobachten, wo im Hotel Müritz kurzerhand das Hauptquartier aufgeschlagen worden war.

Sonntag vormittag kam Timo Caravitis, Vorsitzender des WM Organisationskommitees und Präsident des finnischen Eissegelverbandes, auf seinem Quad aus Richtung Westen über das Eis. Gleichzeitig fuhren mehrere Fahrzeuge des Regattatrosses auf den Parkplatz des Ludorfer Wasserwanderrastplatzes. Dann kam die Entscheidung: Start so bald wie möglich etwa einen Kilometer nördlich der Halbinsel Steinhorn. Hektische Telefonate wurden geführt.

Noch ahnt kein Ludorfer etwas von dem Ereignis. Über die Qualität des etwa 20-30 cm dicken Eises der Müritz sind die Einheimischen geteilter Meinung. Immerhin hatte es in den vergangenen Wochen wiederholt getaut. Aber der in den letzten Tagen gefallene Schnee ist pulverig und das Eis hart.

Der Mut der Eissegler steckt an. Am Nachmittag, als die Nachricht von der Verlegung der Regattastrecke die Runde gemacht hat, trauen sich einige interessierte Ludorfer, Segler aus der Umgebung, Touristen und sogar ein Fersehteam vom NDR auf’s Eis.
Ein eindrucksvoller Anblick bietet sich etwa einen Kilometer vom Ufer entfernt. Weit erstreckt sich die Müritz in alle Himmelsrichtungen. Fast unmöglich, über die monoton weiße Fläche Entfernungen zu schätzen.

Man sagt den Finnen ja einen gewissen Mangel an Temprament nach. Nichts davon ist bei Timo Caravitis zu spüren. Er ist augenscheinlich froh, hier so gute Bedingungen vorzufinden und das Wetter spielt auch mit; mittlere Winde und ab und zu ein Sonnenstrahl.

Bereitwillig erklärt er den wenigen, aber interessierten Zuschauern den Kurs, der im Gegensatz zum nassen Segeln nicht dreieckig ist, sondern nur aus Start-Ziel-Linie und einer Luv-Wendemarke besteht: Die Eissegler starten von der langen Startlinie aus schräg gegen den Wind, um zur genau vor ihnen liegenden “Luvboje” zu kreuzen, diese zu runden und auf einem Zickzackkurs wieder zur Ausgangslinie zurückzukehren. Täglich mehrere Wettfahrten werden in der kommenden Woche zu absolvieren sein.

Dann geht es los. Der Start wurde vollzogen und die 60 Starter nähern sich auf ihrem windbestimmten Zickzackkurs unserer Wendemarke. Einer nach dem anderen zieht vorbei. Wie beim richtigen Segeln gibt es an der “Boje” packende Manöver um die besten Plätze. Hier zeigt sich, welcher Kreuzkurs erfolgreich war, wer den Wind am besten für sich nutzen konnte und wer Vorfahrt hat. Nur, das alles viel schneller passiert, als beim Segeln der Boote. Mit etwa 50 – 70 km/h gleiten die dreikufigen Renner fast lautlos vorbei, die Masten unter der Windlast gespannt wie eine Saite. Nach wenigen Minuten hat das gesamte Feld die Wende passiert.

Dann ist es wieder still. Die Fernsehleute packen ein. Sie haben ihre Bilder im Kasten. Der Redakteur eilt mit dem Videoband nach Schwerin ins Studio. Gelegenheit, Timo Caravitis noch ein paar Fragen zu stellen. Warum hier vor Ludorf? Ist es in Klink nicht genauso? Er schüttelt den Kopf: Hier auf der südlichen Müritz haben sie bei dieser Windrichtung mehr Auswahl, ihren Kurs zu legen. Außerdem hätte es in Klink geschneit bei kaum 200 Metern Sicht. Drei Wettfahrten wollen sie noch starten. Die letzte spätestens 17.30 Uhr, eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang. So sehe es das Reglement vor.

Sonnenuntergang um 18.00 Uhr? Ach ja, wir haben ja schon Anfang März. Verwöhnt vom zeitigen Frühlingsanfang der letzten Jahre nehmen wir wahr, daß fast ganz Deutschland dieser Tage in einem nie dagewesenen Schneechaos versinkt. Vorbeiziehende Schwärme von Wildgänsen und -enten erinnern uns an die Vogelgrippe. Und Ludorf erlebt eine Weltmeisterschaft. Es ist viel los, dieser Tage. Langsam setzen sich die Zuschauer in Richtung Zeltplatz in Bewegung. Ein ungewöhnlicher Spaziergang an diesem Sonntagnachmittag. Aber ein schönes Erlebnis.

Nachtrag: Am späteren Nachmittag fängt es an zu schneien und zwei Stunden später liegen 15 cm Neuschnee auf Wald und See. Der Winter hat uns wieder.